Die Bewertung junger Unternehmen: Herausforderungen und Lösungsansätze
Die Bewertung von Start-ups und jungen Unternehmen stellt eine besondere Herausforderung dar. Anders als etablierte Firmen verfügen sie über keine langjährige Erfolgsgeschichte und oft nur über begrenzte Substanz. Ihre Zukunft ist ungewiss, ihr Potenzial jedoch möglicherweise enorm. Wie lässt sich der Wert solcher Unternehmen also ermitteln?
Perspektiven der Bewertung
Bei der Bewertung junger Unternehmen sind drei wesentliche Perspektiven zu berücksichtigen:
1. Die Sicht der Gründer
2. Die Sicht potenzieller Investoren
3. Eine objektivierende Perspektive für Konfliktfälle
Jede dieser Sichtweisen erfordert einen eigenen Ansatz.
Die Gründerperspektive
Aus Sicht der Gründer geht es primär darum, einen Entscheidungswert zu ermitteln, der ihre subjektiven Vorstellungen und Präferenzen berücksichtigt. Hierbei bietet sich eine angepasste Discounted-Cashflow-Methode (DCF) an.
Vorgehen
1. Schätzung des Marktpotenzials
2. Prognose des erreichbaren Marktanteils
3. Annahmen zu Margen und operativen Aufwendungen
4. Berücksichtigung von Steuereffekten
5. Planung notwendiger Investitionen
Wichtig ist, die Detailtiefe der Planung an die Unsicherheit anzupassen. Je weiter in die Zukunft geplant wird, desto gröber sollten die Annahmen sein.
Die Investorenperspektive
Investoren, insbesondere Venture-Capital-Firmen, haben eine andere Sichtweise. Ihr Ziel ist der «Exit», also der Verkauf ihrer Beteiligung nach 5 – 10 Jahren. Sie verwenden häufig die Venture-Capital-Methode.
Kernelemente
- Schätzung des Unternehmenswerts zum Exit-Zeitpunkt
- Abzinsung dieses Werts auf den heutigen Tag
- Berücksichtigung hoher Renditeerwartungen (30 – 40%)
Diese Methode dient weniger der exakten Wertermittlung als vielmehr der Schaffung einer Verhandlungsbasis zwischen Gründern und Investoren.
Objektivierende Bewertung
In Konfliktfällen, etwa bei Scheidungen oder Erbstreitigkeiten, ist eine objektivierende Bewertung erforderlich. Hier empfiehlt sich oft der Rückgriff auf den Substanzwert.
Besonderheiten
- Fokus auf den Rekonstruktionswert: Was würde es kosten, das Unternehmen «nachzubauen»?
- Berücksichtigung immaterieller Vermögenswerte, insbesondere selbst erstellter «Daten»
- Prüfung der Zurechenbarkeit, Wertrelevanz und Einzelveräusserbarkeit von Vermögenswerten
Praktische Implikationen
Für Unternehmensinhaber und Privatpersonen ergeben sich folgende Handlungsempfehlungen:
1. Klare Dokumentation: Halten Sie alle Entwicklungsschritte und Investitionen sorgfältig fest. Dies erleichtert später die Zuordnung von Kosten zu spezifischen Vermögenswerten.
2. Regelmässige Bewertung: Führen Sie, unabhängig von konkreten Anlässen, regelmässige Bewertungen durch. Dies schafft Transparenz und erleichtert Verhandlungen mit potenziellen Investoren.
3. Flexibilität bewahren: Seien Sie offen für unterschiedliche Bewertungsansätze. Je nach Situation und Gegenüber kann ein anderer Ansatz zielführend sein.
4. Expertenhilfe in Anspruch nehmen: Die Bewertung junger Unternehmen ist komplex. Scheuen Sie sich nicht, professionelle Unterstützung einzuholen.
5. Realistische Einschätzung: Bleiben Sie bei Ihren Annahmen und Prognosen realistisch. Übertriebener Optimismus schadet der Glaubwürdigkeit Ihrer Bewertung.
6. Schutz geistigen Eigentums: Sichern Sie Ihre immateriellen Vermögenswerte rechtlich ab. Dies erhöht ihren Wert und verbessert ihre Einzelveräusserbarkeit.
7. Vorbereitung auf Konflikte: Treffen Sie frühzeitig Vereinbarungen für potenzielle Konfliktfälle. Klare Regelungen in Gesellschafterverträgen können spätere Streitigkeiten vermeiden.
Die Bewertung junger Unternehmen bleibt eine Herausforderung. Mit dem richtigen Ansatz und sorgfältiger Vorbereitung lassen sich jedoch fundierte und faire Wertermittlungen durchführen. Dies schafft Sicherheit für alle Beteiligten und bildet die Basis für den langfristigen Unternehmenserfolg.
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Autoren
Prof. Dr. rer. pol.
Tobias
Hüttche
Wirtschaftsprüfer und CVA
Institut für Finanzmanagement der Hochschule für Wirtschaft FHNW,
Basel
Dr. rer. pol.
Fabian
Schmid
CFA, CVA, Geschäftsführer und Mitgründer der wevalue AG, Dozent an der Hochschule für Wirtschaft FHNW,
Brugg
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