Opting-out und überschuldet, was nun?
Dass viele konkrete Fragen erst bei der praktischen Umsetzung auftauchen, zeigt sich einmal mehr auch beim neuen Aktienrecht, das per 1. Januar 2023 in Kraft getreten ist. Der vorliegende Beitrag greift die Frage auf, was bei einer überschuldeten Gesellschaft im Opting-out zu tun ist.
Welcher Bericht bei überschuldeten Gesellschaften im Opting-out?
Der Gesetzesartikel scheint klar zur sein, die Umsetzung dagegen nicht. Art. 725a Abs. 2 OR sieht vor, dass bei Vorliegen eines Kapitalverlustes die Gesellschaften, welche keine Revisionsgesellschaften haben (Opting-out), die letzte Jahresrechnung vor ihrer Genehmigung durch die Generalversammlung einer eingeschränkten Revision unterziehen müssen. Der VR ernennt den zugelassenen Revisor bzw. die zugelassene Revisorin. Im darauffolgenden Gesetzesartikel (Art. 725a Abs. 3 OR) wird weitergeführt, dass auf eine Prüfung «nur» dann verzichtet werden kann, wenn der VR ein Gesuch um Nachlassstundung ein-reicht. Dies beantwortet die in der Praxis häufig gestellte Frage, ob Rangrücktritte von der Prüfung befreien. Rangrücktritte in ausreichender Höhe befreien einzig von der Pflicht, den Richter zu benachrichtigen, jedoch nicht von der Prüfpflicht.
Gilt diese indirekte Prüfpflicht auch für überschuldete Gesellschaften?
Die Antwort findet sich im Q&A von EXPERTsuisse, wo festgehalten wird, dass bei der Überschuldung auch der Tatbestand des Kapitalverlustes erfüllt ist. Die Überschuldung ist also nichts als ein «erweiterter Kapitalverlust». Damit steht klar, dass auch bei Vorliegen einer Überschuldung eine Auftragsrevision nach Art. 725a Abs. 2 OR durchzuführen ist. Da es sich um eine eingeschränkte Revision handelt sind in diesen Verhältnissen auch Doppelmandatierungen denkbar. Eine Mandatsannahme sollte aber sicherlich gut überlegt und dokumentiert sein. Insbesondere ist das Vorgehen abzuwägen, sollte der Kapitalverlust oder die Überschuldung im Folgejahr nicht beseitigt werden können und es sich in eine jährlich wiederholende Endlosschlaufe entwickeln.
Eine nächste immer wieder auftauchende Frage ist, ob aufgrund der Überschuldung auch eine Überschuldungsprüfung nach PS-CH 290 vorzunehmen ist. Massgebend ist hierbei Art. 725b Abs. 1 OR, wobei eine Zwischenbilanz zu Fortführungs- und Veräusserungswerten zu erstellen und zu prüfen ist. Der kleine aber entscheidende Punkt liegt im Begriff «begründete Besorgnis». Denn der Zeitpunkt der begründeten Besorgnis kommt nur unter dem Jahr vor. An dieser Stelle ist auf dem Anhang H im SER 2022 hinzuweisen, der dies in einer schönen Grafik zeigt. Wird im Jahresabschluss eine Überschuldung ausgewiesen entspricht das automatisch der Zwischenbilanz zur Fortführungswerten. Eine Zwischenbilanz zu Veräusserungswerten wird in der Praxis i.d.R. nicht erstellt und gemäss PS-CH 290 geprüft. Dennoch ist an dieser Stelle auf die Q&A von EXPERTsuisse hinzuweisen, die in diesem besonderen Fall vorsieht zusätzlich einen Abschluss zu Veräusserungswerten zu erstellen und zwei Berichte zu verfassen (Auftragsprüfung infolge Kapitalverlust und Bericht gemäss PS-CH 290). Es wird sich zeigen, was sich in der Praxis durchsetzt. Bisher blieb die Überschuldungsprüfung am Jahresende ein Theoriefall. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass bei einer ausgewiesenen Überschuldung im Jahresabschluss im Opting-out primär eine «Kapitalverlustprüfung» und nicht auch gleich eine Überschuldungsprüfung vorzunehmen ist.
Die festgestellte und ausgewiesene Überschuldung löst in jedem Fall die Handlungspflicht für den VR aus, den Richter zu benachrichtigen. Dies kann durch Vorliegen genügend hoher Rangrücktritte verhindert werden. Was aber sind die Folgen, wenn der VR dieser Prüfpflicht nicht nachkommt? Bei Missachtung der «Kapitalverlust»-Prüfpflicht sind die Beschlüsse der Generalversammlung nichtig (Art. 731 Abs. 3 OR). Für die Berichterstattung bei überschuldeten Gesellschaften im Opting-out ist daran zu denken, dass der Sachverhalt der Überschuldung sowie die vorliegenden Rangrücktritte mit einem Zusatz offenzulegen sind. Zu guter Letzt ist die Wichtigkeit hervorzuheben, dass für den leitenden Revisor keine weiteren Anzeige- oder Handlungspflichten bestehen, d.h. es besteht keine Pflicht zu einer ersatzweisen Einberufung der Generalversammlung oder Benachrichtigung des Gerichts im Sinne von Art. 699 Abs. 1 OR bzw. Art. 729c OR. Es besteht auch keine Pflicht zur Übernahme eines zusätzlichen Prüfauftrages nach Art. 725b OR.
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Autorin
Daniela
Buser
Argo Consilium AG
dipl. Wirtschaftsprüferin
dipl. Wirtschaftsprüferin
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