RECHTLICHE NEUERUNGEN PER 2023
Im Jahr 2023 treten auf Bundesebene neue Erlasse oder Änderungen bestehender Bestimmungen in Kraft, die den unternehmerischen Alltag direkt oder indirekt beeinflussen (können). Das Institut Treuhand und Recht hat Ihnen eine Auswahl davon als Übersicht zusammengestellt.
Aktienrecht
Am 1. Januar 2023 tritt das neue Aktienrecht abschliessend in Kraft. Statuten, Reglemente und Verträge, die den neuen Bestimmungen widersprechen, müssen bis spätestens am 31. Dezember 2024 angepasst werden.
Flexibilisierung der Kapitalstrukturen
Die Flexibilisierung der Kapitalstrukturen war eines der Hauptziele der Aktienrechtsrevision. Ab 1. Januar 2023 können Gesellschaften ihr Aktienkapital in einer für die Geschäftstätigkeit wesentlichen Fremdwährung (Britische Pfund, Euro, US-Dollar oder japanische Yen) führen. Diesfalls muss auch die Buchführung und alle kapitalbezogenen Vorgänge (z.B. Dividendenausschüttung) in der ausländischen Währung erfolgen. (Steuern und Abgaben sind in jedem Fall in Schweizer Franken zu leisten.) Der Nennwert der einzelnen Aktie muss grösser 0 sein. Nach neuem Recht explizit zulässig ist die Ausschüttung einer Zwischendividende, sofern die Voraussetzungen gegeben sind. Neu eingeführt wird die Möglichkeit der Generalversammlung, den Verwaltungsrat zu ermächtigen, innert maximal fünf Jahren das Kapital um höchstens 50% beliebig zu erhöhen oder zu senken (sog. Kapitalband). Die Ermächtigung zu einer Senkung ist nur zulässig, wenn kein Opting-out vorliegt, und die Generalversammlung kann die Schaffung eines Kapitalbands an zusätzliche Bedingungen knüpfen.
Liquidität, Kapitalverlust und Überschuldung
Den Verwaltungsrat trifft neu explizit die gesetzliche Pflicht, die Liquidität der Gesellschaft zu überwachen und bei deren Bedrohung Massnahmen zur Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit oder zur Sanierung zu ergreifen. Weist die letzte Jahresrechnung einen hälftigen Kapitalverlust aus, muss der Verwaltungsrat ebenfalls Massnahmen ergreifen und im Falle eines Opting-outs die Jahresrechnung eingeschränkt prüfen lassen. Bei begründeter Besorgnis der Überschuldung muss unverzüglich ein Zwischenabschluss zu Fortführungs- und Veräusserungswerten erstellt und geprüft werden. Wenn die Annahme der Fortführung gegeben ist und der Zwischenabschluss zu Fortführungswerten keine Überschuldung ausweist, kann auf den Zwischenabschluss verzichtet werden. Ist die Annahme der Fortführung nicht gegeben, reicht ein Zwischenabschluss zu Veräusserungswerten.
Stärkung der Aktionärsrechte
Das neue Aktienrecht stärkt die Aktionärsrechte und legt Schwellen für deren Ausübung fest (häufig in Abhängigkeit davon, ob die Gesellschaft börsenkotiert ist oder nicht). Es geht dabei etwa um das Recht auf Auskunft, Einsicht, Einberufung einer Generalversammlung, Antragstellung und Traktandierung, Klage auf Sonderuntersuchung oder Auflösung der Gesellschaft. Die Statuten können die Ausübung der Aktionärsrechte zusätzlich erleichtern, eine Erschwerung ist unzulässig.
Modernisierung der Generalversammlung
Die Generalversammlung kann neu gleichzeitig an mehreren Orten, im Ausland, unter Verwendung elektronischer Mittel oder virtuell stattfinden. Dabei sind verschiedene gesetzliche Bedingungen zu berücksichtigen. Eine ausländische oder virtuelle Generalversammlung bedarf beispielsweise einer entsprechenden statutarischen Bestimmung.
Erbrecht
Am 1. Januar 2023 tritt die erste Etappe des neuen Erbrechts in Kraft. Für Todesfälle, die ab diesem Datum eintreten, finden die Neuerungen automatisch Anwendung (sog. Todestagprinzip). Im Zentrum der ersten Etappe stehen die Reduktion der Pflichtteile und der damit einhergehende erweiterte Gestaltungsspielraum in der Nachlassplanung. Die Neuerungen beschränken sich allerdings nicht darauf. Die wichtigsten Neuerungen im Überblick:
Pflichtteile und verfügbare Quote
Über ein Pflichtteilsrecht verfügen nur noch Nachkommen und überlebende Ehegatten resp. eingetragene Partner. Das bisherige Pflichtteilsrecht der Eltern entfällt. Der Pflichtteil beträgt neu generell die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs (Art. 471 ZGB). Die Pflichtteile bleiben geschützt, darüber hinaus kann der Erblasser über sein Vermögen von Todes wegen verfügen. Die Senkung der Pflichtteile führt zu einer Erhöhung der verfügbaren Quote (mind. die Hälfte des Nachlasses), über die der Erblasser testamentarisch oder erbvertraglich verfügen und sie einzelnen Erben oder Dritten zukommen lassen kann. Die gesetzlichen Erbteile erfahren keine Änderung.
Verlust Pflichtteilsanspruch im Scheidungsverfahren
Der überlebende Ehegatte verliert seinen Pflichtteilsanspruch, wenn im Todeszeitpunkt des Erblassers ein Scheidungsverfahren hängig ist und wenn das Verfahren auf gemeinsames Begehren eingeleitet wurde (oder nach den Vorschriften über die Scheidung auf gemeinsames Begehren fortgesetzt wurde), oder wenn die Ehegatten mindestens zwei Jahre getrennt gelebt haben. Diesfalls gelten die Pflichtteile, wie wenn der Erblasser nicht verheiratet gewesen wäre (Art. 472 ZGB). Für eingetragene Partnerschaften gelten die Vorschriften analog.
Nutzniessung und Eigentum
Bei gemeinsamen Nachkommen kann der Erblasser dem überlebenden Ehegatten neu die Hälfte des Nachlasses zur Nutzniessung und die zweite Hälfte als Erbteil zuweisen. Heiratet der überlebende Ehegatte wieder oder begründet eine eingetragene Partnerschaft, entfällt die Nutzniessung am Pflichtteil der Nachkommen im Zeitpunkt des Erbgangs (Art. 473 ZBG).
Erbverträge und Schenkungen
Beim Vorliegen eines Erbvertrags können Verfügungen von Todes wegen und Zuwendungen unter Lebenden des späteren Erblassers angefochten werden, wenn sie mit den Verpflichtungen aus dem Erbvertrag nicht vereinbar (namentlich, wenn sie die erbvertragliche Begünstigung schmälern) und im Erbvertrag nicht vorbehalten worden sind (Art. 494 Abs. 3 ZGB). Ohne explizite Vorbehaltsklausel führen Erbverträge daher zu einer Einschränkung (bis zu einem Verbot) von Schenkungen, die über die üblichen Gelegenheitsgeschenke hinausgehen.
Vorsorgeguthaben Säule 3a
Vorsorgeguthaben der Säule 3a fallen nicht in den Nachlass, sondern kommen der bei der Vorsorgeeinrichtung gemeldeten begünstigten Person zu. Die Guthaben werden allerdings für die Berechnung der Pflichtteilsrechte hinzugezogen.
Reihenfolge der Herabsetzung
Wird ihr Pflichtteil verletzt, können Erben die Herabsetzung gemachter Zuwendungen verlangen, bis ihr Pflichtteil hergestellt ist. Das neue Erbrecht schafft Klarheit betreffend Reihenfolge der Herabsetzung und legt diese wie folgt fest: 1) Erwerbungen gemäss gesetzlicher Erbfolge, 2) Zuwendungen von Todes wegen, 3) Zuwendungen unter Lebenden (Art. 522 ZGB).
Datenschutz
Am 1. September 2023 treten ohne Übergangsfristen das revidierte Datenschutzgesetz (DSG) und die dazugehörende Verordnung (DSV) in Kraft. Neu sind nur noch Daten von natürlichen Personen geschützt. Datenschutz bleibt Persönlichkeits- und Grundrechtsschutz, und Daten dürfen nur rechtmässig bearbeitet werden. Wichtig ist, dass Datenschutz technologieneutral ist und grundsätzlich sowohl für die physische als auch für die elektronische Datenbearbeitung gilt.
Privacy by design and by default
Der Datenschutz ist durch Technik und durch datenschutzfreundliche Voreinstellungen sicherzustellen, und es muss gewährleistet sein, dass die Bearbeitung auf das für den Verwendungszweck nötige Mindestmass beschränkt ist (sofern die betroffene Person nicht etwas anderes bestimmt).
Auftragsbearbeitung
Die Datenbearbeitung kann vertraglich oder gesetzlich auf einen Dritten (Auftragsbearbeiter) übertragen werden, sofern dies keine gesetzliche oder vertragliche Geheimhaltungspflicht verbietet und der Auftragsbearbeiter die Daten so bearbeitet, wie es der Verantwortliche selbst tun dürfte. Die Auftragsbearbeitung erfordert die vorgängige Genehmigung durch die betroffene Person.
Datenbearbeitungsverzeichnis
Unternehmen mit 250 Mitarbeitenden oder mehr sind verpflichtet ein Verzeichnis der Bearbeitungstätigkeiten zu führen. Kleinere Unternehmen, die in grossem Umfang besonders schützenswerte Daten bearbeiten oder Profiling mit besonders hohem Risiko durchführen, müssen ebenfalls ein Datenbearbeitungsverzeichnis führen. Das Gesetz definiert die Mindestinformationen, die das Verzeichnis enthalten muss (Art. 12 DSG).
Informationspflicht
Wer Daten bearbeitet, muss die betroffenen Personen angemessen über die Beschaffung von Personendaten informieren und ihnen diejenigen Informationen mitteilen, die erforderlich sind, damit sie ihre Rechte geltend machen können und eine transparente Datenbearbeitung gewährleistet ist. Die entsprechende Datenschutzerklärung muss mindestens die Identität und die Kontaktdaten des Verantwortlichen, den Bearbeitungszweck und gegebenenfalls die Kategorien der Empfänger, denen Daten bekannt gegeben werden, enthalten.
Meldepflichten
Verletzungen der Datensicherheit, die voraussichtlich zu einem hohen Risiko für die Persönlichkeit oder die Grundrechte der betroffenen Person führen, müssen so rasch als möglich dem Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) gemeldet werden.
Auskunfts- und Herausgaberecht
Betroffene haben gegenüber dem Verantwortlichen ein Auskunftsrecht (Art. 25 DSG). Dieses kann in bestimmten Fällen eingeschränkt oder verweigert werden. Die Einschränkung oder Verweigerung sind zu begründen. Betroffenen Personen steht sodann ein Recht auf Datenherausgabe oder -übertragung zu (Art. 28 DSG). Die Datenherausgabe kann unter den gleichen Bedingungen verweigert oder eingeschränkt werden wie die Auskunft.
Strafbestimmungen
Die vorsätzliche Verletzung von Informations- und Auskunftspflicht (sowie der Mitwirkungspflicht bei Untersuchungen des EDÖB) und von Sorgfaltspflichten können auf Antrag mit Bussen bis CHF 250‘000 bestraft werden. Strafbar ist die jeweilige natürliche Person (Art. 60 DSG).
Arbeitsrecht
Adoptionsurlaub
Ab 1. Januar 2023 haben Erwerbstätige, die ein Kind adoptieren, das jünger als vier Jahre ist, auf Antrag hin Anspruch auf einen zweiwöchigen bezahlten Adoptionsurlaub, der über die Erwerbsersatzordnung finanziert wird.
Höhere Mindestlöhne für Hausangestellte
Die Verordnung über den Normalarbeitsvertrag für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Hauswirtschaft (NAV Hauswirtschaft) wird bis am 31. Dezember 2025 verlängert, und die Mindestlöhne werden per 2023 um 1.5% erhöht (auf CHF 19.50 / Std. für Ungelernte bis CHF 23.55 für Gelernte mit EFZ).
Wegfall Solidaritätsprozent Arbeitslosenversicherung
Ab 2023 entfällt das Solidaritätsprozent auf den CHF 148'200 übersteigenden Lohnanteilen. Auf Einkommensteilen über diesem Grenzbetrag sind keine ALV-Beiträge geschuldet.
Sozialversicherungen
Über die Anpassungen im Sozialversicherungsbereich (Schwellen, Beiträge und Leistungen/Renten) geben separate Tabellen Auskunft.
Für Fragen zu diesem INFO|BLATT stehen Ihnen die Mitglieder des Instituts Treuhand und Recht (Marc Bräutigam, Kevin Dietiker, Marc Hagmann und Stefanie Meier-Gubser) unter treuhand@treuhandsuisse.ch zur Verfügung.
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