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Revision des Aktienrechts (Teil 1): Neuerungen im Bereich der Gründungs- und Kapitalvorschriften

13. Juli 2022 - 
Recht

Am 1. Januar 2023 wird nach einem langjährigen, politischen Prozess das neue Aktienrecht (Änderung des Obligationenrechts) in Kraft treten. Neben Klarstellungen und administrativen Erleichterungen bezweckt die Aktienrechtsrevision unter anderem die Gründungs- und Kapitalvorschriften flexibler zu gestalten und ans Rechnungslegungsrecht anzugleichen. Im Folgenden werden ausgewählte Neuerungen zu den Gründungs- und Kapitalvorschriften kurz vorgestellt – vereinfachend wird nur auf die Aktiengesellschaft Bezug genommen, obwohl in vielen Belangen auch die Gesellschaft mit beschränkter Haftung von der Reform profitiert.

Mindestkapital und Nennwert

Die Aktienrechtsrevision ändert nichts am Mindestkapital von CHF 100'000 und den diesbezüglich bestehenden Liberierungsvorschriften (mindestens 20 % des Nennwerts und mindestens CHF 50'000). Angepasst wird hingegen der Mindestnennwert von 1 Rappen – verlangt wird neu, dass der Nennwert grösser als Null sein muss. Durch diese Änderung gewinnen die Aktiengesellschaften bei der Gestaltung ihrer Eigenkapitalstruktur mehr Spielraum, indem der Nennwert auf einen beliebigen Bruchteil eines Rappen festgelegt und damit eine unbegrenzte Anzahl Aktien ausgegeben werden kann.

Aktienkapital in Fremdwährungen

Zukünftig kann das Aktienkapital in der für die Geschäftstätigkeit wesentlichen, ausländischen Währung geführt werden, was insbesondere für international verflochtene Aktiengesellschaften eine Erleichterung darstellt. Ab dem 1. Januar 2023 stehen folgende Fremdwährungen zur Verfügung: Britisches Pfund, Euro, US-Dollar und Japanischer Yen. Wird diese Möglichkeit genutzt, gilt die entsprechende Fremdwährung für alle kapitalbezogenen Aspekte. Als Stichtag für die Erfüllung der Mindestkapitalanforderungen (vgl. oben) wird auf den Zeitpunkt der Beurkundung des relevanten Sachverhalts (z.B. Gründungsversammlung) abgestellt. Allfällige spätere Kursschwankungen sind unseres Erachtens unbeachtlich. Zu Steuerzwecken wird die Aktiengesellschaft jedoch weiterhin die relevanten Beträge in Schweizer Franken umrechnen müssen.

Qualifizierte Liberierungstatbestände

Von der Revision des Aktienrechts sind auch die qualifizierten Liberierungstatbestände betroffen.

Die (beabsichtigte) Sachübernahme (z.B. Barliberierung mit der Absicht Immobilien von einem Aktionär zu übernehmen), die in der Praxis immer wieder zu Unsicherheiten geführt hat, wird abgeschafft.

Zudem erhält die Sacheinlage (z.B. direkte Einbringung einer Immobilie) dadurch eine Klarstellung, dass die in der Praxis angewandten Kriterien für die Sacheinlagefähigkeit – Bilanzierungsfähigkeit, freie Übertragbarkeit, freie Verfügbarkeit und Verwertbarkeit – neu in den Gesetzestext überführt werden. Ausserdem bringen die revidierten Bestimmungen insofern Erleichterungen, als künftig für Immobilien, die in verschiedenen Kantonen liegen, eine einzige öffentliche Urkunde am Sitz der Gesellschaft genügt.

Bei der Verrechnungsliberierung hält das Gesetz neu ausdrücklich fest, dass die verrechnete Forderung nicht zwingend werthaltig sein muss. Diese Klarstellung ist insbesondere in Sanierungsfällen von Bedeutung, denn bisher war die Rechtmässigkeit der Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital mit Unsicherheiten behaftet, wenn die Forderungen nicht vollständig durch die Aktiven der Gesellschaft gedeckt waren. Schliesslich müssen in Zukunft auch die Verrechnungstatbestände (und die Liberierung durch Umwandlung von frei verwendbarem Eigenkapital) in den Statuten und dem Handelsregister offengelegt werden. 

Kapitalveränderungen, insbesondere Kapitalband

Die ordentliche und die bedingte Kapitalerhöhung erfahren keine grundlegenden Änderungen. Allerdings wurden in verschiedenen Bereichen Klarstellungen aus der Praxis kodifiziert. So hält das Gesetz künftig ausdrücklich fest, dass eine ordentliche Kapitalerhöhung mit einem Maximalbetrag möglich ist und dass bei der Festlegung des Ausgabebetrags niemand in unsachlicher Weise begünstigt oder benachteiligt werden darf. Darüber hinaus wurde die Frist zur Umsetzung der Kapitalerhöhung von drei auf sechs Monate verlängert. Im Rahmen der bedingten Kapitalerhöhung wurde der Kreis der Adressaten von Wandel- und Optionsrechten auf Dritte erweitert und es wurde klargestellt, dass auch Erwerbspflichten auferlegt werden können.

Für Kapitalherabsetzungen enthält das überarbeitete Aktienrecht vor allem eine Vereinfachung und Flexibilisierung des Verfahrens. So wird im Rahmen einer ordentlichen Kapitalherabsetzung etwa nur noch ein Schuldenruf erforderlich sein, der wahlweise vor oder nach dem Herabsetzungsbeschluss der Generalversammlung erfolgen kann.

Das Kapitalband ersetzt das Institut des genehmigten Kapitals. Um das Eigenkapital zeitnah den tatsächlichen Bedürfnissen anpassen zu können, kann die Generalversammlung künftig den Verwaltungsrat statutarisch ermächtigen, während einer Dauer von längstens fünf Jahren das Aktienkapital innerhalb einer bestimmten Bandbreite, jedoch maximal ± 50 % des eingetragenen Aktienkapitals, zu verändern. Erforderlicher Mindestinhalt der Statuten sind dabei die obere und die untere Grenze des Kapitalbands, die Laufzeit sowie Anzahl, Nennwert und Art der erfassten Aktien. Weiter ist es möglich, die Ermächtigung des Verwaltungsrats gewissen Einschränkungen, Auflagen oder Bedingungen zu unterstellen oder das Bezugsrecht der Aktionäre aus wichtigen Gründen einzuschränken oder aufzuheben. Das Kapitalband kann auch einseitig ausgestaltet werden, indem der Verwaltungsrat nur ermächtigt wird, das Kapital entweder zu erhöhen oder herabzusetzen. Wurde bei der Aktiengesellschaft auf die eingeschränkte Revision verzichtet, so kann der Verwaltungsrat aus Gläubigerschutzgründen nur zu einer Erhöhung des Kapitals ermächtigt werden.

Weitere Anpassungen

Im Falle von eigenen Aktien wird eine Anpassung der Rechnungslegung zu berücksichtigen sein, da eigene Aktien nicht mehr als Aktivposten und Reserve zu verbuchen sind, sondern direkt als negativer Posten im Eigenkapital ausgewiesen werden. Auch in anderen Bereichen werden die Gründungs- und Kapitalvorschriften der Aktiengesellschaft geändert, wobei einzelne Bestimmungen, z.B. über den zulässigen Anteil des Partizipationskapitals, nur börsenkotierte Aktiengesellschaften tangieren.

Handlungsbedarf

Nach Inkrafttreten des revidierten Aktienrechts am 1. Januar 2023 besteht eine Übergangsfrist von zwei Jahren zur Anpassung der Statuten und Reglemente. Danach werden Bestimmungen, die nicht mit dem neuen Recht vereinbar sind, automatisch unwirksam. Die bestehenden Statuten und Reglemente nutzen die neu eingeräumten Möglichkeiten in der Regel nicht und können Bestimmungen enthalten, die dem neuen Recht nicht entsprechen. Für Gesellschaften empfiehlt es sich deshalb, die Statuten und Reglemente im Hinblick auf das revidierte Aktienrecht zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.

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